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Kollidierende Welten: Wenn horizontale und vertikale Kommunikation aufeinander prallen


Kollidierende Welten: Wenn horizontale und vertikale Kommunikation aufeinander prallen

Der Meetingraum vibriert vor Anspannung. CEO Joe Berger fixiert seine Projektleiterin Anna Schmidt mit stahlhartem Blick.


«Erklären Sie das Versagen», fordert er knapp.


Anna holt tief Luft. «Es ist eine komplexe Situation. Mehrere Faktoren spielen zusammen. Zunächst gibt es Kommunikationsprobleme zwischen den Abteilungen. Dann kommt der unerwartete Ausfall eines Schlüssellieferanten dazu. Ausserdem -»


«Zum Punkt, Schmidt», unterbricht Berger scharf.


«Ich denke, wir sollten alle Aspekte betrachten», entgegnet Anna. «Jedes Teammitglied hat wertvolle Einsichten. Vielleicht könnten wir eine Runde machen und -»


«Braucht es nicht», schneidet Berger ab. «Wer ist verantwortlich?»


Anna zögert. «Die Verantwortung ist verteilt. Wir alle -»


«Ich will einen Namen. Jetzt», unterbricht Berger erneut.


«Mit Verlaub, Herr Berger», wagt Anna einzuwenden, «eine Schuldzuweisung könnte kontraproduktiv sein. Stattdessen sollten wir gemeinsam Lösungen erarbeiten. Ich habe bereits einige Ideen, wie wir -»


«Zu aufwendig», unterbricht Berger eisig. «Sie haben 24 Stunden. Bericht. Verantwortliche. Lösungen.»


«Aber wenn wir alle Perspektiven einbeziehen -»


«Liefern Sie, oder ich finde jemanden, der es kann», beendet Berger das Gespräch.


Damit verlässt er den Raum und lässt eine fassungslose Anna zurück.



Die unsichtbare Kluft zwischen horizontaler und vertikaler Kommunikation


Zwei fundamentale Kommunikationsstile, die in der Geschäftswelt oft aufeinanderprallen, sind die horizontale und die vertikale Kommunikation. Während erstere auf Gleichheit, Zugehörigkeit und Offenheit basiert, betont letztere Hierarchie, Autorität und Effizienz. Diese Unterschiede durchdringen sämtliche Aspekte der Interaktion – vom Informationsaustausch über Entscheidungsfindung bis hin zu nonverbalen Signalen.


Die Kluft zwischen diesen Stilen ist so tiefgreifend, dass sie wie zwei Fremdsprachen wirken können, obwohl dieselbe Sprache gesprochen wird. Mitarbeitende und Führungskräfte, die in diesen unterschiedlichen Systemen sozialisiert wurden, missverstehen sich oft, ohne die wahre Ursache zu erkennen. Diese Differenz schafft kulturelle Unterschiede innerhalb derselben Sprachgemeinschaft, vergleichbar mit interkulturellen Missverständnissen.


Zum Beispiel, während in den USA eine direkte Kommunikation als ehrlich und effizient gedeutet wird, kann sie in Japan als unhöflich empfunden werden. Pünktlichkeit bedeutet in der Schweiz, vor der Zeit zu erscheinen, während in lateinamerikanischen Ländern eine Verspätung von 30 Minuten oft akzeptabel ist. Skandinavische Länder pflegen flache Hierarchien, während in vielen arabischen Kulturen klare Autoritätsstrukturen erwartet werden.


Ähnlich entstehen Missverständnisse zwischen vertikalen und horizontalen Kommunikatoren. Respektvolle Zurückhaltung kann als mangelnde Initiative gedeutet werden oder ein direkter Kommunikationsstil als arrogant wahrgenommen werden.


Diese «Sprachbarriere» führt zu erheblichen Reibungen im Arbeitsalltag. Viele sind sich nicht bewusst, wie sehr ihr Kommunikationsstil von ihrer Position und ihrem Hintergrund geprägt ist. Die Folgen reichen von alltäglichen Missverständnissen bis hin zu schwerwiegenden strategischen Fehlentscheidungen.


Es liegt also auf der Hand: ein Bewusstsein für diese unterschiedlichen Kommunikationsstile zu entwickeln und aktiv an gegenseitigem Verständnis zu arbeiten, ist zwingend notwendig, um eine effektive Zusammenarbeit in der modernen Businesswelt zu ermöglichen.


Kollidierende Welten: Wenn horizontale und vertikale Kommunikation aufeinander prallen

Woran erkenne ich horizontales Verhalten?


Typischerweise streben Personen mit diesem Kommunikationsstil nach Gleichberechtigung und Konsens. Sie neigen dazu, alle Beteiligten in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und legen Wert auf offenen Austausch, Gleichheit und Zugehörigkeit. In Meetings kann man beobachten, dass sie aktiv nach Meinungen anderer fragen und diese wertschätzend aufnehmen.


Erfolge werden nicht als Triumph des Einzelnen gefeiert, sondern als Leistung des Teams. Es ist, als würde jeder Sieg gemeinsam auf die Schultern aller verteilt. Dazu verwenden Horizontale oft inkludierende Sprache wie «wir» statt «ich» oder «unser» statt «mein».


Sie sind eher bereit, eigene Fehler einzugestehen und Unsicherheiten offen anzusprechen. Und in Konfliktsituationen zeigen sie sich besonders diplomatisch, suchen nach Kompromissen und versuchen, alle Perspektiven zu berücksichtigen.


Für Hierarchien haben sie geradezu einen blinden Fleck, finden diese manchmal sogar antiquiert und kommunizieren daher mit Vorgesetzten ähnlich wie mit Kollegen auf gleicher Ebene.


Nonverbal kann man beobachten, dass sie eine offene Körperhaltung einnehmen, Blickkontakt suchen und aufmerksam zuhören. Sie schaffen oft informelle Gesprächssituationen und bevorzugen einen lockeren, persönlichen Umgangston, ohne dafür viel Raum einzunehmen.


Ein weiteres, typisches charakteristisches Merkmal ist die Tendenz zur indirekten Kritik. Statt direkte Vorwürfe zu machen, formulieren sie Bedenken oft als Fragen oder Vorschläge. Sie sagen also eher: «Wie könnten wir den Prozess effizienter gestalten?» anstatt «Ihr Prozess ist ineffizient.»


In schriftlicher Kommunikation neigen sie dazu, weichere Formulierungen und Konjunktive zu verwenden. Statt «Machen Sie das bis morgen» heisst es dann, «Wäre es möglich, das bis morgen fertigzustellen?»


Horizontale Kommunikatoren haben oft eine höhere Toleranz für Abschweifungen und scheinbar irrelevante Beiträge in Diskussionen. Sie sehen darin Potenzial für kreative Lösungen oder wichtige Beziehungsarbeit.


In Konfliktsituationen achten sie besonders auf die Wahrung des «Gesichts» aller Beteiligten, und sie vermeiden es, jemanden blosszustellen oder in die Enge zu treiben, selbst wenn sie in der stärkeren Position sind.



Woran erkenne ich vertikales Verhalten?


Im Herzstück vertikaler Kommunikation pulsiert eine klare Hierarchie, die sich in unverkennbaren Verhaltensweisen manifestiert. Informationen fliessen wie Wasser durch ein präzise konstruiertes Kanalsystem – stets von oben nach unten.


In Meetings offenbart sich dieses Verhalten besonders deutlich. Die Atmosphäre ist von einer fast greifbaren Spannung erfüllt, wenn hochrangige Mitarbeitende das Wort ergreifen. Ihre Aussagen werden selten hinterfragt, geschweige denn von Horizontalen offen kritisiert. Stattdessen nicken die Anwesenden zustimmend, machen sich eifrig Notizen und warten geduldig auf ihre Gelegenheit zu sprechen – eine Gelegenheit, die oft erst nach expliziter Aufforderung eines Vertikalen kommt.


Die Sprache selbst wird zum Instrument der Hierarchie. Respektvolle Anreden deuten sie nicht nur als blosse Formalität, sondern als subtiles Zeichen der Unterordnung.


Entscheidungen werden nicht diskutiert, sondern verkündet, oft mit einem Hauch von Endgültigkeit, der keinen Raum für Widerspruch lässt. Und falls doch, dann oftmals nur aus strategischen Zwecken, um den Schein nach aussen zu wahren, andere Meinungen würden toleriert werden.


Ohne Politik geht hier gar nichts. In diesem System ist die Ausstrahlung von Selbstsicherheit keine Option, sondern eine Notwendigkeit.


Ebenso aufschlussreich ist der Umgang mit Fehlern. In der vertikalen Welt werden diese nicht offen eingestanden, sondern sorgfältig umschifft oder elegant auf untergeordnete Ebenen abgewälzt. Die Kunst der Verantwortungsdelegation wird in diesem System zur Perfektion getrieben.


Es ist eine Welt, in der Rangordnung, klare Strukturen und Reviere regieren – auf Kosten von Gleichheit und Zugehörigkeit.


Kollidierende Welten: Wenn horizontale und vertikale Kommunikation aufeinander prallen


Jenseits von richtig und falsch, gut und schlecht.


Wer in der Lage ist, diese Muster zu erkennen, hat den Schlüssel zum Verständnis horizontaler und vertikaler Kommunikation in der Hand.


Horizontale empfinden die vertikale Kommunikationsweise jedoch oft als rücksichtslos und autoritär. Vertikale Botschaften interpretieren sie tendenziell als persönliche «Attacken», wodurch sie sich bedroht, gedemütigt oder einfach nicht wertgeschätzt fühlen. Das kann zu einem Gefühl der Entfremdung und Frustration führen, da ihre Beiträge und Ideen möglicherweise nicht die Anerkennung finden, die sie erwarten. In einer solchen Umgebung neigen horizontale Kommunikatoren dazu, sich zurückzuziehen und ihre Beteiligung zu minimieren, was letztlich die Teamdynamik und Produktivität beeinträchtigen kann.


Implizit erwarten Horizontale, dass die Vertikalen mehr Rücksicht nehmen sollten, weil sie fälschlicherweise davon ausgehen, dass ihr horizontales Sprachsystem eher der «Norm» entspricht. Da aber Vertikale ihrerseits implizit davon ausgehen, dass ihr Sprachsystem der erfolgsversprechendere «Normalzustand» repräsentiert, prallen diese beiden Welten somit oft hart aufeinander.


Das führt zur Frage: Wer sollte sich wem anpassen? Wer sollte eher nachgeben? Welches System ist erfolgsversprechender?


Stell dir vor, du stehst vor zwei mächtigen Flüssen, die beide in den gleichen See münden – der eine fliesst geradlinig und zielstrebig, der andere schlängelt sich in sanften Kurven durch die Landschaft. Welcher Fluss hat mehr Berechtigung? Welcher bietet mehr Nutzen? Welcher ist der Bessere? Diese Fragen sind ebenso müssig wie die Debatte darüber, ob vertikale oder horizontale Kommunikation überlegen, bzw. minderwertig sei.


Die Wahrheit ist: Beide Systeme haben ihre Stärken und Schwächen. In der Geschäftswelt brauchst du beide, um erfolgreich zu sein und zu florieren. Vertikale Kommunikation kann in Krisensituationen lebensrettend sein, wenn schnelle und klare Entscheidungen gefragt sind. Horizontale Kommunikation hingegen fördert Innovation und Mitarbeiterzufriedenheit, die für langfristigen Erfolg unerlässlich sind.


In gewisser Weise wäre es von beiden Seiten rücksichtslos, zu verlangen, dass die andere Seite sich ihrer Sprache anpasst. Wenn ich mich in einem «fremdsprachigen» Raum befinde, erwarte ich schliesslich auch nicht, dass die anderen automatisch meine Sprache sprechen. Ich bin dann einfach nur froh, wenn ich ein paar Worte ihrer Sprache beherrsche.


Statt dein eigenes, präferiertes System voranzustellen, solltest du das dir fremde System wie eine Fremdsprache erlernen, um sie mit deiner «Muttersprache» zu kombinieren. Überleg nur einmal, wie kraftvoll eine Organisation sein kann, die die Effizienz der vertikalen mit der Kreativität der horizontalen Kommunikation vereint. Es ist wie ein perfekt choreografierter Tanz, bei dem jeder Schritt, jede Bewegung ihren Platz und ihre Zeit hat.


Die wahre Kunst liegt nicht darin, sich für die eigene Seite zu entscheiden, nur weil man sich diese Sprachweise gewohnt ist, sondern darin, situativ das richtige Werkzeug zu wählen. Damit schaffst du eher eine Unternehmenskultur, die flexibel genug ist, um beide Stile zu beherrschen und weise genug, um zu wissen, wann welcher angebracht ist.


Indem du beide Systeme verstehst und wertschätzt, öffnest du die Tür zu einer neuen Dimension der Kommunikation. Eine, in der das Beste beider Welten nicht nur koexistiert, sondern synergetisch zusammenwirkt.


Das ist kein Kompromiss – es ist eine Evolution.


Nur wer beide Sprachen fliessend spricht, kann in der vielschichtigen Welt der modernen Geschäftskommunikation wahrhaft brillieren und sowohl Sympathiepunkte holen wie auch Respekt bewahren.


Kollidierende Welten: Wenn horizontale und vertikale Kommunikation aufeinander prallen

Beide wollen das Gleiche – auf unterschiedliche Weisen und aus unterschiedlichen Gründen.


Obwohl horizontale und vertikale Kommunikatoren oft scheinbar unterschiedliche Wege einschlagen und aus verschiedenen Gründen handeln, streben sie letztlich nach denselben grundlegenden Zielen:


  • Beide wollen gesehen und gehört werden. Für Horizontale vermittelt sich das durch Wertschätzung, für Vertikale durch Respekt.


  • Beide wollen erfolgreich sein. Für Horizontale bedeutet Erfolg, durch Zusammenarbeit und Konsens Entscheidungen zu treffen, während Vertikale Erfolg durch schnelle, klare Entscheidungen und Führungskompetenz definieren.


  • Beide suchen Anerkennung. Horizontale schätzen Feedback und Lob, das die Teamarbeit und fachliche Kompetenz anerkennt, Vertikale bevorzugen Anerkennung, die ihre Führungsstärke und Entscheidungskraft würdigt.


  • Beide möchten Konflikte lösen. Horizontale bevorzugen Mediation und gemeinsame Problemlösung, Vertikale neigen dazu, Konflikte durch autoritative Entscheidungen und klare Richtlinien zu klären.


  • Beide wollen produktiv sein. Für Horizontale bedeutet Produktivität, durch Kooperation und kollektives Engagement voranzukommen. Sie schätzen den Prozess. Während Vertikale Produktivität durch Ergebnisse und individuelle Verantwortung messen.


  • Beide schätzen Kompetenz. Horizontale fokussieren auf fachliche Inhalte, Expertise und gegenseitige Unterstützung, Vertikale durch das Setzen von hohen Standards, das Fordern von Ergebnissen und das Betonen von politischem Gewicht und Einfluss.


  • Beide suchen nach Bestätigung. Für Horizontale bedeutet das, in einem unterstützenden und partizipativen Umfeld zu arbeiten, für Vertikale in einem Umfeld, das ihre Autorität und Entscheidungen respektiert.


  • Beide sind an Verbesserungen interessiert. Horizontale bevorzugen iterative Verbesserungen durch regelmässigen Austausch und kontinuierliches Feedback, während Vertikale gezielte und strategische Änderungen basierend auf klaren Analysen bevorzugen.

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Gemeinsamkeiten finden und Synergien nutzen


Durch die Anerkennung und den Respekt für die unterschiedlichen Ansätze kann eine Organisation eine Kultur des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit fördern.


Eine der wertvollsten Gemeinsamkeiten ist das Bestreben nach Klarheit und Verständnis in der Kommunikation. Denn sowohl horizontale als auch vertikale Kommunikatoren streben danach, ihre Botschaften effektiv zu übermitteln und sicherzustellen, dass sie richtig verstanden werden.


Anstatt sich auf die Unterschiede zu konzentrieren und Konflikte zu betonen, sollten wir Wege finden, die Gemeinsamkeiten zu identifizieren und die Synergien zwischen beiden Stilen zu nutzen. Beide Kommunikationsstile haben das gemeinsame Ziel, die Effektivität der Interaktion und die Produktivität der Organisation zu verbessern.


Aber dazu müssen wir «Übersetzungsarbeit» leisten, bis wir in beiden Sprachsystemen fliessend und sattelfest werden.


Indem wir weder das eine über das andere System stellen und die Stärken beider Kommunikationsstile schätzen und gezielt einsetzen, können wir eine integrative und produktive Arbeitsumgebung schaffen. Teams, die diese Synergien nutzen, sind besser gerüstet, um komplexe Probleme zu lösen und innovative Lösungen zu entwickeln.


Durch die Symbiose von horizontaler und vertikaler Kommunikation können Unternehmen nicht nur die interne Zusammenarbeit verbessern, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Es ist diese Fähigkeit, die den Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem herausragenden Unternehmen ausmacht – den Unterschied zwischen einer durchschnittlichen und herausragenden Führungskraft.



 

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