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Warum es keine Schreibblockade gibt und wie du wirklich produktiv und kreativ bleibst.


Warum es keine Schreibblockade gibt und wie du wirklich produktiv und kreativ bleibst.

Anthony Trollope (1815 - 1882) war ein englischer Postbeamter. Jeden Morgen öffnete er pünktlich die Türen zu seiner Poststelle, unbewusst davon, dass seine alltägliche Routine die Grundlage für eine aussergewöhnliche zweite Karriere legen würde. In einer Zeit, in der die Feder mächtiger war als das Dampfschiff und Briefe die Welt enger zusammenbrachten, fand Trollope zwischen den Zeilen seiner administrativen Pflichten Raum für eine Leidenschaft, die ihn weit über die Grenzen seines Tagesjobs hinaustragen sollte. Ohne die Annehmlichkeiten moderner Technologie oder die Freiheiten, die heutige Kreative oft für selbstverständlich halten, bewies Trollope, dass die grössten Barrieren auf dem Weg zur kreativen Produktivität nicht in unserer Umgebung, sondern in unserem Geist liegen.

 

Anthony Trollope mag heute für viele womöglich eine unbekannte Figur sein, doch sein kreatives Erbe und sein literarisches Werk sprechen eine deutliche Sprache. Trollope schrieb mehr als 47 Romane, darunter die berühmten Reihen «Chronicles of Barsetshire» und «Palliser», die bis heute als Meisterwerke der englischen Literatur gefeiert werden. Seine Werke tauchen tief in die sozialen Strukturen und die individuellen Kämpfe der viktorianischen Gesellschaft ein, mit einem scharfen Blick für Charakterentwicklung und einem unvergleichlichen Erzählstil.


Doch das war nicht alles. Neben diesen monumentalen literarischen Errungenschaften verfasste er auch diverse Kurzgeschichten, Essays und Reiseberichte, die seine Vielseitigkeit und seinen unermüdlichen Drang zur Kreativität unter Beweis stellen.

 

Und all das, wohlverstanden, neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Postbeamter!

 


Schreibblockade, ein grosses Missverständnis.

 

Kreativitätsblockaden oder Schreibblockaden sind ein allgegenwärtiges Phänomen, das Menschen in den unterschiedlichsten kreativen Disziplinen betrifft, von Schriftstellern und anderen Künstlern bis hin zu Unternehmern und Wissenschaftlern. Ich habe selber viele kreative Leidenschaften in meinem Leben schon ausprobiert, von der Malerei über Schriftstellerei bis hin zur Handwerkskunst. Einiges davon war mir gelungen, manches davon war unbrauchbar. Immer wieder erlebte ich dabei Phasen dieser inneren Blockaden, wo dieses Gefühl in mir hochkam, dass die Muse meiner kreativen Ader mich verlassen hatte.

 

Insbesondere beim Schreiben, dass nach wie vor meine grösste Leidenschaft ist, beging ich den grossen Fehler, den leider allzu viele Menschen machen. Ich hatte nur noch nach dem Lustprinzip gearbeitet. Das heisst, wenn ich das Gefühl hatte, die Muse sei an meiner Seite, war ich kreativ. Und wenn ich jeweils das Gefühl hatte, meine Muse sei fremdgegangen, so habe ich die Feder nicht angerührt. Heute schäme ich mich zu sagen, dass die Tage, an denen ich kapitulierte, mehr an der Zahl waren als jene Tage, wo ich den Segen meiner Muse verspürte. Und so redete ich mir mit der Zeit ein, dass ich ein Versager bin. Dass ich nicht dafür geschaffen bin, diese oder jene kreative Arbeit zu verrichten. Ich machte mir selber Vorwürfe, etwas sein zu wollen, dass ich nicht bin.

 

Aber wenn man sich selber zur Unfähigkeit verdammt, gleichzeitig jedoch anerkennen muss, dass man es immer wieder versucht, ist es Fluch und Segen zugleich. Dieser Widerspruch zwang mich dazu, über die Bücher zu gehen und mir mal ernsthaft Gedanken zu meiner Schreibblockade zu machen.

 

Irgendwann musste ich erkennen, dass der Kern des Problems nicht in der Abwesenheit der Muse lag, sondern in meiner Einstellung zur Arbeit und zur Kreativität im Allgemeinen. Ich war genügend einfältig zu glauben, dass Kreativität etwas «Besonderes» sei, etwas, was von den Göttern kommt und nur jenen zuteil wird, die dieser schöpferischen Gabe würdig sind.

 

Heute weiss ich es natürlich besser. Das ist alles Schwachsinn!

 

Die Wahrheit ist, dass Kreativität weniger ein spontaner Akt göttlicher Inspiration ist, sondern vielmehr das Ergebnis von Disziplin, Ausdauer und der Bereitschaft, auch im Angesicht des Scheiterns weiterzumachen. Das einzige, was zählt, ist, sich dem Prozess zu verpflichten – gerade dann, wenn wir uns nicht inspiriert fühlen.

 

Indem ich diese Wahrheit akzeptieren lernte, begann ich, jene Tage besonders zu schätzen, an denen mir die Arbeit schwerfiel, denn sie lehrten mich Ausdauer und die Fähigkeit, trotz aller Widerstände tätig zu sein.

 

Je besser mir das mit der Zeit gelang, umso mehr erkannte ich meine Naivität, die Kreativität auf ein zu hohes Podest zu stellen. Ich erkannte, dass Kreativität weniger eine seltene Gabe ist, die nur wenigen Auserwählten zuteil wird, sondern vielmehr eine Fähigkeit ist, die in jedem von uns schlummert und nur darauf wartet, durch regelmässige Praxis und Hingabe entwickelt zu werden.


Mir wurde klar, dass der Akt des Schaffens nicht von momentanen Eingebungen oder der perfekten Stimmung abhängt, sondern von der kontinuierlichen Arbeit und dem Engagement für den Prozess selbst. Ich begriff, dass Kreativität nicht die Ursache ist, sondern das Ergebnis. Kreativität ist nicht Voraussetzung, sie ist Konsequenz. Und die Muse kommt nicht zu denen, die kreativ sind, sondern zu denen, die die nötige Arbeit investieren, die Kreativität erst hervorbringt.

 

 

Wenn Kreativität peinlich wird.

 

«Heute will mir nichts gelingen.»

«Heute ist kein guter Tag.»

«Ich befinde mich in einer schwierigen Phase.»

«Meine Muse hat mich verlassen.»

«Ich habe es nicht verdient.»

«Ich bin es nicht wert.»

 

Solche und andere Sätze gingen mir früher fortwährend durch den Kopf. Es sind Gedanken, die zu ständigen Begleitern werden und wie ein Schatten über jedem kreativen Unterfangen hängen. Es sind die Tage, an denen jede Zeile, die man schreibt, jede Skizze, die man zeichnet, und jeder Ton, den man spielt, sich anfühlt, als wären sie nicht nur unzureichend, sondern regelrecht unerreichbar.

 

Doch solche Gedanken sind irgendwie auch ziemlich lächerlich. Viele kreative Menschen betonen gerne, dass der kreative Prozess mit Verletzlichkeit verbunden ist. Sie sagen, sich kreativ zu äussern, bedeute, einen Teil von sich selbst preiszugeben, womit man stets das Risiko eingeht, nicht verstanden oder sogar abgelehnt zu werden.

 

Ja sicher, aber trifft das nicht auf alles im Leben zu?

 

So mancher Kreativer fabriziert für meinen Geschmack zu viel unnötiges «Drama» um seine Kreativität. Es ist ja schon genug peinlich, sich selber bei solchen Selbstmitleidsbekundungen zu ertappen. Die Angst, sich dann auch noch eine Blösse zu geben, weil man sich verletzlich zeigt, ist dann vielleicht doch etwas too much.


Eine solche Verletzlichkeit entsteht ja vor allem nur deswegen, weil man den Akt der Kreativität völlig überbewertet. Mit anderen Worten: man nimmt die Kreativität viel zu ernst. Man meint, sie sei etwas wirklich Besonderes. Dadurch erzeugt man eine Diskrepanz in seinem Kopf, die eine Trennung schafft zwischen dem, was man erreichen möchte, und dem, was man als seine gegenwärtigen Fähigkeiten wahrnimmt. Diese künstlich aufgebaute Mauer, zwischen dem Ich und dem kreativen Ausdruck, verleitet viele dazu, in eine Spirale aus Druck und Erwartungen zu geraten, die letztendlich mehr blockiert als beflügelt. Diese Überbewertung der Kreativität führt zu einer falschen Idealisierung, die nicht nur unrealistisch, sondern auch ungesund ist.


Die Wahrheit jedoch ist viel mehr, dass Kreativität ein alltägliches Werkzeug, eine Fähigkeit ist, die wie jede andere durch Übung, Erfahrung und durch Fehler geschärft wird.

 

Ich meine, hast Du es schon mal erlebt, dass du einen Klempner rufst, der dir dann sagt, «Sorry, ich kann heute leider nicht kommen. Ich habe gerade eine Klempner-Blockade.»

 

Nein. So etwas wird nie passieren. Warum? Weil ein Klempner einfach nur seinen Job macht.

 

Und das ist der springende Punkt.


Der Profi macht seinen Job, während der Amateur versucht kreativ zu sein. Der Unterschied zeigt sich im Ergebnis. Viele Kreative sollten viel mehr wie ein Klempner denken und an ihre Kreativität herangehen wie an einen üblichen Job. Wer diesen Job nicht erledigen will oder nicht erledigen kann, sollte sich vielleicht einen anderen Job suchen.

 

Meine Empfehlung lautet daher: Mach du einfach nur deinen Job und lass andere kreativ sein. Und falls die Muse dir dabei zuschauen will, so soll sie kommen, wann immer sie Lust dazu hat, die Türe ist offen. Aber sicherheitshalber würde ich schon mal ohne sie anfangen.

 

 

Kreativität ist ein Job wie jeder andere.


Anthony Trollope, der Postbeamte, gehörte zu den meistgelesenen Autoren der viktorianischen Zeit. Er war alles andere als eine peinliche Gestalt. Er war zuverlässig wie ein Klempner. Er war ein Profi. Denn Trollope’s Methode war ebenso bemerkenswert wie seine Produktivität.

 

Er hatte einen jungen Mann eigens dafür engagiert, damit dieser jeden Morgen, um genau 05.00 Uhr, an seiner Türe klopfte, um ihn zu wecken. Jeden Tag, um 5:30 Uhr, setzte er sich an seinen Schreibtisch und schrieb drei Stunden lang, bevor er sich danach auf den Weg zu seiner Poststelle machte. Trollope verpflichtete sich zu einer strikten Quote von 250 Wörtern pro Viertelstunde, eine Disziplin, die ihm ermöglichte, sein beeindruckendes literarisches Werk neben einer vollzeitigen Berufstätigkeit zu erschaffen. So pünktlich, wie er jeden Tag die Türen seiner Poststelle öffnete, so pünktlich setzte er sich jeden Tag hin, um seine kreative Kunst produzieren. Trollope war bewusst, dass er sich nicht auf die Launen seiner Muse verlassen konnte, also pflegte er diese Gewohnheit. Ihm war klar, dass alles, was er schreibt, wie die alltägliche Routine bei seiner Poststelle war. Es war einfach nur ein weiterer Job, der erledigt werden muss.

 

Für den Fall, dass du vielleicht gerade mit dem Gedanken rumspielst, selber einen Roman zu verfassen, und glaubst, dass es bis zur Fertigstellung Jahre dauern könnte, rechnen wir doch mal aus, wie lange das mit Trollopes Herangehensweise für dich dauern würde.

 

Um eine durchschnittliche Buchgrösse mit etwa 80.000 Wörtern zu schreiben, würde es bei einer strikten Quote von 250 Wörtern pro Viertelstunde und einer täglichen Schreibzeit von 3 Stunden ungefähr 27 Tage dauern (je nach Schriftart und Schriftgrösse des Textes). Technisch gesehen, kannst du durchaus ein Buch in einem Monat schreiben. Das ist sportlich, zugegeben, aber sobald du das Grundgerüst deines Werkes erschaffen hast, hast du bereits einen bedeutenden Schritt getan.


Natürlich erfordert das zusätzlich Zeit für Recherche, und die eigentliche intensive Arbeit verbirgt sich im Prozess des wiederholten Editierens. Aber die meisten schaffen es ja gar nicht erst bis zu diesem Punkt, da sie vergeblich auf die Inspiration durch die Muse warten, die möglicherweise nie erscheint. Ein erster, grober Entwurf in 30 Tagen ist immer noch aussichtsreicher als überhaupt keinen Entwurf nach einem Jahr zu besitzen.

 

Und wenn du jetzt vielleicht denkst, Trollope sei ein Einzelfall, dann muss ich widersprechen. Er ist nur eines von vielen unzähligen Beispielen, die beweisen, dass kreative Produktivität nicht eine Frage der Muse ist.

 

Das wussten auch die Beatles, die durch ihre konstante Arbeit im Studio, ihre Bereitschaft, musikalische Grenzen zu erkunden, und ihre intensive Zusammenarbeit zu einer der einflussreichsten Bands der Musikgeschichte wurden. Ihre Innovationskraft war nicht das Ergebnis sporadischer Inspiration, sondern harter Arbeit und Experimentierfreude.

 

Stephen King, ein weiteres Beispiel, verfolgt eine strenge tägliche Schreibroutine und hat so ein beeindruckendes Oeuvre von über 60 Romanen geschaffen. Seine Disziplin und sein Engagement für das Schreiben zeigen, dass kreativer Output weniger mit flüchtiger Inspiration als vielmehr mit Ausdauer und Beständigkeit zu tun hat.

 

Maya Angelou, die berühmte amerikanische Dichterin und Schriftstellerin, hatte ebenfalls eine bemerkenswerte Arbeitsroutine. Sie mietete sich ein Hotelzimmer, in dem sie ihre Schreibarbeit verrichtete, fernab von den Ablenkungen des Alltags. Ihre Produktivität und ihr kreativer Reichtum sind Beweise dafür, dass die Etablierung einer Routine entscheidend für die Förderung der Kreativität sind.

 

Kreativer Erfolg und Produktivität werden bei Profis nicht dem Zufall überlassen. Profis arbeiten nicht kreativ, sondern mit System.

 

Der legendäre Architekt, Le Corbusier, sagte dazu einmal treffend:

 

«Genie ist persönlich, durch Schicksal bestimmt, aber Genie drückt sich immer durch ein System aus. Es gibt keine Kunst ohne System.»

 

Trollopes System demonstriert eine pragmatische Sicht auf Kreativität, die im starken Kontrast steht zu dem Bild des inspirierten Genies, das nur in Momenten göttlicher Eingebung schafft. Stattdessen sah er das Schreiben als Handwerk, wie jedes andere auch, das Übung, Disziplin und vor allem Regelmässigkeit erfordert. Diese Arbeitsethik ermöglichte es ihm, über 47 Romane, zahlreiche Kurzgeschichten und eine Vielzahl von Sachbüchern zu veröffentlichen. Er bewies damit, dass Produktivität und aussergewöhnliche Kreativität nicht notwendigerweise Opfer von zeitlichen Einschränkungen oder beruflichen Verpflichtungen sein müssen. Sein Ansatz lehrt uns, dass Kreativität viel mehr ein Ergebnis von Ausdauer und harter Arbeit ist.

 

Sein Lebenswerk ist eine Ermutigung für alle, die sich in der Zwickmühle zwischen beruflichen Verpflichtungen und dem Wunsch nach kreativer Entfaltung befinden. Er beweist, dass mit der richtigen Einstellung und einem festen Willen, die Balance zwischen der Notwendigkeit des Alltags und den Träumen des kreativen Geistes nicht nur möglich ist, sondern auch zu aussergewöhnlichen Leistungen führen kann.



 

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