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Politisches Geschick im Unternehmen ist keine Option – sondern eine Notwendigkeit


Politisches Geschick im Unternehmen ist keine Option – sondern eine Notwendigkeit

Wenn du jetzt vielleicht denkst: «Ich halte mich aus den politischen Spielchen im Büro raus», oder: «Politik ist nichts für mich», oder: «Ich mache keine Politik», dann stehst du nicht allein da. Tatsächlich denken viele Menschen so.


Die Wahrheit jedoch ist: Niemand kann sich «nicht politisch» verhalten.



Was «politisch» ist, muss nicht gleich «unfair» sein.

Wenn man Menschen fragt, warum sie den Job oder die Beförderung nicht bekommen haben, die sie sich erhofft hatten, hört man oft Aussagen wie: «Es war eine politische Entscheidung.» Häufig schwingt dabei der Vorwurf mit, dass jemand anderes bevorzugt wurde – vielleicht eine Person mit geringeren fachlichen Kompetenzen, die aber einen engeren Draht zur Führungsebene hatte. Oder die Beförderung ging an jemanden, von dem man glaubt, er habe sie «nicht wirklich verdient».


Der Wortlaut solcher Aussagen mag variieren, doch die Kernaussage ist immer dieselbe: Wenn Menschen sagen, dass eine Entscheidung «politisch» war, drücken sie in der Regel Frustration aus. Sie empfinden den Verlauf als unfair, weil persönliche Beziehungen, Machtspiele oder andere Faktoren eine grössere Rolle gespielt haben als die objektive Leistung.


Der Begriff «politisch» ist oft negativ behaftet – und das aus gutem Grund. Zu häufig verbinden wir ihn mit Situationen, die als unfair, manipulativ oder gar toxisch wahrgenommen werden. Ob es um Machtspielchen, verdeckte Intrigen oder ethisch fragwürdige Entscheidungen geht – all das prägt unser Bild von «Firmenpolitik» und macht sie zu etwas, von dem man sich lieber distanzieren möchte. Doch statt «politisch» vorschnell mit «unfair» gleichzusetzen, ist es lohnenswert, genauer hinzusehen.



Was bedeutet «politisch» im Firmenkontext?


Tatsächlich ist Politik per se weder gut noch schlecht. Sie ist neutral. Politik ist ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck. Es kommt allein darauf an, wie dieses Werkzeug eingesetzt wird und welche Absichten dahinterstehen. Natürlich kann politische Strategie für egoistische oder schädliche Ziele missbraucht werden – das will niemand leugnen. Doch ebenso gut kann sie für moralische, ethische oder konstruktive Ziele genutzt werden. Gerade politisches Geschick ist eine essenzielle Fähigkeit, um Dinge voranzubringen, die anderen oder dem Unternehmen als Ganzes zugutekommen.


Politik im positiven Sinne bedeutet, Beziehungen strategisch zu gestalten, unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen und klug Einfluss zu nehmen, um nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Es bedeutet, zwischen Interessen zu vermitteln, Menschen zu gewinnen und Ziele auf eine Weise zu verfolgen, die Vertrauen schafft, statt es zu zerstören.


Die Frage ist also nicht, ob du politisch bist – denn das bist du ohnehin, bewusst oder unbewusst. Die Frage ist vielmehr, ob du dein politisches Geschick gezielt einsetzt, um positive Ergebnisse zu erzielen. Denn du hast die Wahl, ob du die Dynamiken in deinem Unternehmen ignorierst oder lernst, sie aktiv und konstruktiv zu nutzen.


Nehmen wir doch mal ein typisches Beispiel aus dem Arbeitsalltag:



Was ist «politisches Geschick»?


Eine Chefin hat ihr Team zu einer Besprechung zusammengerufen. Die Verkaufszahlen sind rückläufig, und sie erklärt, dass diese Sitzung ein Brainstorming sein soll, um neue Ansätze für die Vermarktung des Vorzeigeprodukts zu entwickeln. Die Atmosphäre wirkt offen und kreativ – zumindest auf den ersten Blick.


Die Diskussion beginnt, und nach ein paar höflichen Einstiegen wagen einige Teammitglieder, Alternativen zur bestehenden Strategie vorzuschlagen. Doch obwohl die Chefin die Ideen nicht direkt ablehnt, schafft sie es, jede Idee elegant zu entkräften. Mal führt sie praktische Einschränkungen an, mal verweist sie auf frühere Fehlschläge ähnlicher Ansätze. Ohne es offen auszusprechen, macht sie deutlich, dass sie nicht überzeugt ist. Nach einer Weile wird klar: Sie ist nicht wirklich offen für einen grundlegend neuen Ansatz. Woran liegt das?


Vielleicht ist sie emotional an die bestehende Strategie gebunden, schliesslich war sie die treibende Kraft dahinter. Es könnte auch sein, dass sie mögliche Änderungen als stillen Vorwurf gegen ihre bisherigen Entscheidungen empfindet. Was auch immer der Grund sein mag, die Botschaft wird deutlich: Ein vollständiges Umdenken steht nicht zur Debatte.


Politisches Geschick im Unternehmen ist keine Option – sondern eine Notwendigkeit

Hier kommt das politisch geschickte Teammitglied ins Spiel. Während andere frustriert über die abgelehnten Ideen den Kopf schütteln, beobachtet es aufmerksam die Dynamik im Raum. Schnell erkennt es: Die Chefin sucht keine radikale Veränderung, sondern eine Möglichkeit, das bestehende Konzept zu bewahren und vielleicht nur punktuell zu verbessern. Mit diesem Verständnis schlägt es keinen vollkommen neuen Ansatz vor, sondern präsentiert eine Überarbeitung der bestehenden Strategie – eine, die evolutionär statt revolutionär ist.


Plötzlich ändert sich die Stimmung. Die Chefin wird hellhörig, ihre Körpersprache öffnet sich, und mit einem Lächeln sagt sie: «Das klingt nach einer grossartigen Idee!» Sie weist die Gruppe an, Vorschläge in diese Richtung weiterzuentwickeln.


Was ist hier passiert?


Menschen mit politisch hohem Geschick wissen nicht nur, was sie in verschiedenen sozialen Situationen am Arbeitsplatz sagen müssen, sondern auch wie sie es tun und sagen müssen, um sämtliche eigennützigen Motive zu verschleiern.



4 zentrale Komponenten von politischem Geschick


Eines vorweg: Politisches Geschick ist keine einzelne Fähigkeit, sondern besteht aus verschiedenen Komponenten von Fähigkeiten, die sich gegenseitig ergänzen. Man kann es sich wie das Halten einer öffentlichen Rede vorstellen. Der Begriff «öffentliches Reden, ist ein Schirmbegriff, der verschiedene Fähigkeiten vereint, wie zum Beispiel, den gezielten Einsatz von Stimme, Tempo, Rhythmus, Tonalität, Körpersprache, Bühnenpräsenz, Storytelling und die Fähigkeit, eine Verbindung zum Publikum aufzubauen. Erst durch das Zusammenspiel all dieser Komponenten wird jemand zu einem exzellenten Redner.


Genauso verhält es sich mit politischem Geschick. Es umfasst eine Vielzahl von Fähigkeiten, die zusammenwirken, um sicherzustellen, dass man in komplexen sozialen und organisatorischen Umfeldern effektiv navigieren kann.


Ferris et al. (2020) beschreiben in ihrem Buch «Politcal Skill at Work» vier zentrale Komponenten von politischem Geschick:


  • Social Astuteness (Soziale Gewandtheit):

    Die Fähigkeit, soziale Dynamiken präzise wahrzunehmen und zu verstehen. Politisch versierte Menschen sind aufmerksam für subtile Signale in Gesprächen und Interaktionen. Sie erkennen unausgesprochene Regeln, Machtverhältnisse und die Motivationen anderer, was ihnen ermöglicht, Situationen strategisch klug zu navigieren.


  • Network Ability (Netzwerkfähigkeit):

    Das Talent, strategisch Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Menschen mit dieser Fähigkeit schaffen es, starke Netzwerke zu entwickeln, indem sie auf Vertrauen und gegenseitige Unterstützung setzen. Sie wissen, wie sie Ressourcen, Wissen und Unterstützung aus ihrem Netzwerk aktivieren können, um Ziele zu erreichen.


  • Interpersonal Influence (Zwischenmenschlicher Einfluss):

    Die Fähigkeit, andere mit Diplomatie und Überzeugungskraft zu beeinflussen, ohne manipulativ zu wirken. Politisch geschickte Menschen verstehen, wie sie ihre Botschaften an die Zielgruppe anpassen, um Akzeptanz und Zustimmung zu gewinnen, und tun dies auf eine Art, die Kooperation fördert.


  • Apparent Sincerity (Scheinbar glaubwürdige Aufrichtigkeit):

    Der Eindruck von Authentizität, Integrität und Ehrlichkeit. Menschen mit dieser Fähigkeit wirken glaubwürdig und vertrauenswürdig, weil sie authentisch und ohne versteckte Agenda auftreten. Diese Wahrnehmung von Aufrichtigkeit ist entscheidend, um Vertrauen und Loyalität bei anderen aufzubauen.


Was aber bedeuten jetzt diese 4 Komponenten in der Praxis? Welchen Nutzen schaffen diese für politsch geschickte Menschen?


Die Fähigkeit Muster zu erkennen


1962 stand die amerikanische Regierung unter enormem Druck, Beweise dafür zu finden, dass die Sowjetunion Raketen auf Kuba stationiert hatte. Zeit war ein entscheidender Faktor, und daher entsandten die USA ein U-2-Spionageflugzeug, um detaillierte Luftaufnahmen von der Insel zu machen. Die Bilder, die das Flugzeug lieferte, wurden umgehend von Analysten in den USA ausgewertet. Auf den ersten Blick war jedoch nichts von offensichtlicher Bedeutung zu erkennen – eine Sammlung unscheinbarer Details, die keine eindeutigen Beweise für militärische Aktivitäten lieferten.


Doch einer der Analysten, ein Experte für Kuba, entdeckte auf einem der Bilder etwas, das seine Aufmerksamkeit erregte: ein Fussballfeld. Für die meisten anderen wäre das ein harmloser und bedeutungsloser Fund gewesen, doch dieser Analyst wusste es besser. Kubaner spielen nicht Fussball, sondern Baseball. Fussball hingegen war tief in der sowjetischen Kultur verwurzelt. Der Analyst argumentierte daher, dass die Existenz eines Fussballfeldes darauf hindeutete, dass dort sowjetisches Militärpersonal stationiert sein musste. Er überzeugte seine Vorgesetzten, die Beobachtung weiterzuverfolgen – und tatsächlich bestätigten weitere Untersuchungen später die Präsenz sowjetischer Streitkräfte.


Was hat dieses Beispiel mit politischem Geschick zu tun?


Politisches Geschick im Unternehmen ist keine Option – sondern eine Notwendigkeit

Expertise ist untrennbar mit der Fähigkeit verbunden, Verbindungen zu sehen, die anderen verborgen bleiben. Sie erlaubt es, in einem Berg aus Informationen das Wesentliche herauszufiltern und auf Basis dieser Erkenntnisse kluge Schlüsse zu ziehen. Für die meisten wäre ein Fussballfeld in Kuba einfach nur ein Fussballfeld gewesen – nichts Aussergewöhnliches. Aber in einem bestimmten Kontext ist es für einen Kenner der kubanischen Kultur mehr als nur ein Fussballfeld: Ein wichtiger Hinweis. Und genau das ist auch eine der Kernkompetenzen von politischem Geschick: Mustererkennung im sozialen und organisatorischen Kontext.


In einem Meeting sehen und hören zwar alle das gleiche, aber nicht jeder zieht daraus die gleichen Schlüsse. Im Firmenalltag geht es nicht darum, Luftaufnahmen zu analysieren, sondern subtilere «Muster» zu erkennen: unausgesprochene Hierarchien, persönliche Interessen, politische Dynamiken oder versteckte Hindernisse. 


Zum Beispiel: Warum werden bestimmte Vorschläge in Meetings abgelehnt, obwohl sie objektiv sinnvoll erscheinen? Welche Themen finden Anklang und warum? Wer hat informellen Einfluss, obwohl er oder sie nicht in der Führungsebene ist? Wer sind die stillen Entscheidungsträger, die hinter den Kulissen Weichen stellen?



Bewertung und Kapitalisierung von Gelegenheiten


Aber politisches Geschick endet nicht bei der blossen Mustererkennung oder der Identifikation von Gelegenheiten. Diese Muster müssen gezielt bewertet werden, um ihre strategische Bedeutung zu entschlüsseln. Nicht jede Gelegenheit, die sich bietet, ist es wert, verfolgt zu werden. Der wahre Wert einer Chance liegt darin, welchen Nutzen sie langfristig bringt – sei es, um persönliche Ziele zu erreichen, das Team voranzubringen oder strategisch wichtige Beziehungen zu stärken.


Nach der Bewertung folgt der entscheidende Schritt: Kapitalisierung. Eine Gelegenheit zu erkennen und zu bewerten, ist wertlos, wenn man sie nicht geschickt umsetzt. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen – viele Menschen bleiben in der Phase der Ideen oder Analysen stecken. Doch politisch versierte Menschen schaffen es, ihre Erkenntnisse in konkretes Handeln umzusetzen.


Ohne die vollständige Sequenz von Erkennen, Bewerten und Kapitalisieren bleibt politisches Geschick ungenutzt. Viele Menschen erkennen Gelegenheiten, aber sie scheitern daran, sie zu bewerten oder in Ergebnisse umzusetzen. Andere handeln ohne gründliche Bewertung – was zu überstürzten Entscheidungen und unnötigen Konflikten führen kann.


Die wahre Stärke politischer Kompetenz liegt darin, mit Weitsicht und Klarheit vorzugehen: Gelegenheiten zu identifizieren, die richtigen auszuwählen und sie dann strategisch umzusetzen, um maximale Wirkung zu erzielen.



Die Schattenseiten politischen Geschicks


Das bewusste Navigieren durch soziale und organisatorische Muster ist eine Kunst, die Präzision und Fingerspitzengefühl erfordert. Wenn politisches Geschick falsch eingesetzt wird – etwa auf manipulative Weise oder ohne Rücksicht auf die Interessen anderer – kann es leicht nach hinten losgehen.


Politisches Geschick im Unternehmen ist keine Option – sondern eine Notwendigkeit

Zum Beispiel: Wer die Machtverhältnisse und Interessen in einer Gruppe falsch einschätzt, läuft Gefahr, sich ins Abseits zu manövrieren. Ein Vorschlag, der den «informellen Entscheidungsträger» übergeht, kann selbst dann scheitern, wenn er objektiv sinnvoll ist. Zu viel «Strategie» kann schnell als Berechnung wahrgenommen werden. Menschen merken, wenn sie manipuliert werden, und das zerstört Vertrauen. Und wer politisch geschickt agieren möchte, sollte dabei niemals seine Werte und Authentizität aufs Spiel setzen. Der Versuch, sich ständig an andere anzupassen, kann dazu führen, dass man als unecht oder opportunistisch wahrgenommen wird.



Warum du es dir nicht leisten kannst, auf Politik zu verzichten.


Unsere Welt ist voller Muster. Sobald einem das bewusst wird, beginnt man zwangsläufig, diese Muster bewusster wahrzunehmen. Durch den dreifachen Prozess der Erkennung, Bewertung und Nutzung von Gelegenheiten werden diese Muster in Chancen umgewandelt. Und genau das macht politisches Geschick zu einem so kraftvollen Werkzeug: Es hilft nicht nur, mehr Chancen und Gelegenheiten zu sehen als andere, sondern befähigt auch dazu, diese gezielt zu nutzen.


Politisches Geschick im Unternehmen ist keine Option – sondern eine Notwendigkeit

Selbst wenn du dich entschieden hast, dich aus den «politischen Spielchen» im Büro herauszuhalten, bist du trotzdem Teil davon. Schon die Art, wie du dich in Meetings einbringst, wie du Beziehungen gestaltest und wie du mit Kritik umgehst, ist politisch – ob bewusst oder unbewusst.


Am Ende des Tages entscheidest du selbst, wie du politisches Geschick einsetzt – als Werkzeug für Kooperation, Innovation und Erfolg oder als Mittel zur Manipulation. Doch eines ist sicher: Auf Politik zu verzichten, ist keine Option. Die Frage ist nicht, ob du politisch bist, sondern wie bewusst du es für dich und deine Ziele einsetzt.


Politik am Arbeitsplatz ist kein notwendiges Übel. Sie ist eine Chance, nicht nur dich selbst weiterzuentwickeln, sondern auch dein Umfeld positiv zu prägen.



 

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