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Salvatore Princi, Kommunikationstraining

Wenn Lachen zur Schwäche wird.

Aktualisiert: 16. Feb.


Die NZZ veröffentlichte einen Bericht mit dem folgenden Titel:


Kann Lachen angreifbar machen, und wenn ja, was steckt dahinter?

Es scheint, dass dieser Artikel einen Nerv getroffen hat. So einige haben sich über diesen Bericht empört – zu unrecht, wie ich meine.


Worum geht es?


Dazu zitiere ich eine Passage aus dem NZZ-Artikel:


«Das Lachen macht Politiker menschlich, aber wie man im Fall von Kamala Harris sieht: Es ist auch eine Frage der Häufigkeit und Lautstärke. Wer ständig lacht, macht sich angreifbar. Es entsteht der Eindruck, dass man die Sache nicht ernst nimmt und sich von Emotionen wegtragen lässt.»


Was steckt also dahinter? Kann Lachen zur Schwäche werden und uns in bestimmten Situationen angreifbar machen?



Weshalb lachen wir überhaupt?


Lachen wird oft mit Humor assoziiert, doch Studien zeigen, dass es in alltäglichen Gesprächen an überraschenden Stellen auftreten kann – oft ohne offensichtlichen Anlass. Es begleitet nicht nur Witze, sondern taucht auch nach scheinbar banalen Aussagen auf. Das liegt daran, weil Lachen in erster Linie eine soziale Funktion erfüllt: Es schafft Verbindung, signalisiert Zugehörigkeit und trägt dazu bei, Spannungen zu lösen.


Besonders interessant ist das Lachen über Dinge, die objektiv nicht lustig sind. Es kann ein Zeichen für emotionale Intelligenz und soziale Anpassungsfähigkeit sein – eine unbewusste Strategie, um ein Gespräch aufzulockern, Unsicherheit zu überspielen oder Harmonie zu wahren. Wer solche feinen Nuancen des Lachens erkennt, versteht, dass es weit mehr ist als nur eine Reaktion auf Komik – es ist ein Werkzeug der zwischenmenschlichen Kommunikation.



Warum Lachen zur Schwäche werden kann.


Lachen über nicht offensichtlich lustige Dinge kann also ein Zeichen für emotionale Intelligenz und Empathie sein – zwei unschätzbare Fähigkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Menschen, die Spannungen mit einem Lächeln oder einem dezenten Lachen auflösen, schaffen oft eine angenehmere Atmosphäre und stärken so soziale Bindungen.


Aber Vorsicht! Hier geht es nicht um Menschen, die sich auf Kosten anderer amüsieren oder Schadenfreude zeigen. Vielmehr geht es um jene, die Lachen als Brücke nutzen, um Zugehörigkeit und Verständnis zu fördern – selbst in ernsten Momenten. Ihr Lachen wirkt verbindend, deeskalierend und kann als Zeichen von Mitgefühl und sozialer Kompetenz verstanden werden.


Doch es gibt eine Kehrseite dieser Medaille.


In Stresssituationen, wenn wir unter Druck geraten oder uns persönlich angegriffen fühlen, kann sich dieser Mechanismus ins Gegenteil verkehren. Anstatt bewusst Spannungen zu lösen, wird Lachen zur Überkompensation – ein unbewusster Versuch, eine unangenehme Konfrontation zu entschärfen. Die Soziolinguistin Deborah Tannen bezeichnet dieses Phänomen als «Demutsreflex»: Ein unkontrollierter Lach-Impuls, der nicht mehr als soziale Strategie dient, sondern als Zeichen von Unsicherheit oder situativer Überforderung wahrgenommen werden kann.


Dieser Reflex kann dazu führen, dass das Lachen nicht mehr als souveräne Geste verstanden wird, sondern als Zeichen von Schwäche – was in manchen Situationen ungewollt dazu führt, dass man weniger ernst genommen oder sogar weiter unter Druck gesetzt wird.


Das Lachen erscheint nicht angebracht, weswegen dieses Lachen durchaus den Eindruck erwecken kann, «... dass man die Sache nicht ernst nimmt und sich von Emotionen wegtragen lässt», wie in dem NZZ-Artikel beschrieben wurde.


Wenn Lachen zur Schwäche wird.

Die Rolle des Lachens aus horizontaler und vertikaler Kommunikation.


Auch aus der Perspektive unterschiedlicher Kommunikationsstile lässt sich dieses Phänomen gut erklären.


Die horizontale Kommunikation basiert auf Gleichheit, Zugehörigkeit und Offenheit. Sie legt Wert auf den Aufbau von Beziehungen und darauf, dass sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen. Ihr Gegenstück, die vertikale Kommunikation, betont dagegen Hierarchie, Autorität und klare Rangordnungen.


Diese beiden Kommunikationsstile begegnen sich oft in der Geschäftswelt oder der Politik – und nicht selten führt ihr Zusammenspiel zu Missverständnissen. Die Forschung zeigt, dass Frauen tendenziell häufiger einen horizontalen Kommunikationsstil pflegen, während Männer eher zur vertikalen Kommunikation neigen. Doch das sind keine absoluten Kategorien – es gibt in beiden Gruppen Ausnahmen.


In einem horizontalen Kommunikationssystem ist Lachen ein legitimes Mittel der emotionalen Verbindung. Es dient dazu, Harmonie zu wahren, Nähe zu schaffen und Spannungen aufzulösen. Doch genau diese Strategie kann in einer Konfrontation das Gegenteil bewirken – insbesondere aus der Perspektive von Menschen, die vertikale Kommunikation gewohnt sind.


Denn während Lachen in einem horizontalen Kontext als Mittel der Deeskalation verstanden wird, kann es in einem vertikalen System als Zeichen von Unsicherheit oder mangelnder Durchsetzungskraft interpretiert werden. Wer sich unbewusst dieses Reflexes bedient, läuft Gefahr, in angespannten Situationen weniger ernst genommen zu werden – oder sogar als schwach zu erscheinen.


Da ich das Konzept der horizontalen und vertikalen Kommunikation bereits an anderer Stelle ausführlich erläutert habe, werde ich hier nicht weiter darauf eingehen. Falls du mehr darüber erfahren möchtest, findest du am Ende dieses Artikels weiterführende Beiträge zu diesem Thema.



Das Lachen von Kamala Harris – eine kurze Fallstudie.


Schauen wir uns einen Video-Ausschnitt an, wo Kamala Harris (horizontale Kommunikatorin) im Juni 2021 dem Fernsehsender NBC News ein Interview gab. Dabei ging es um die Migranten aus Mexiko, die zu Tausenden über die Grenze in die USA gelangen wollten.


Auf die Frage, weshalb sie als Gesandte für Migration noch nicht vor Ort gereist sei, sagte Harris, «Wir waren an der Grenze. Wir sind an der Grenze gewesen.» Interessant ist, dass sie dabei die Bezeichnung «wir» verwendet. Weswegen der Interviewer – ein vertikaler Kommunikator – sie auch unterbricht und direkt mit der Aussage konfrontiert: «SIE waren nicht an der Grenze!»


Darauf hin sagt Harris: «Ich bin auch noch nie in Europa gewesen.» Und dann fängt sie an zu lachen. Dass sie die Situation als unangenehm empfindet, verrät auch ihre Körpersprache. Sie bewegt sich nervös auf ihrem Sessel.



Das Thema der Migration ist ein sehr ernstes Thema. Ihr Lachen in dieser Situation kann durchaus als eine Übersprungshandlung gewertet werden, weil sie damit versucht, die Konfrontation zu entschärfen. Und das ist der springende Punkt bei der ganzen Sache.


Ist es also legitim von der NZZ zu schreiben, dass «wer ständig lacht, sich angreifbar macht und dadurch den Eindruck entstehen lässt, dass man die Sache nicht ernst nimmt und sich von Emotionen wegtragen lässt»?


Die Antwort ist ein eindeutiges «JA.»


Die politische Bühne ist ein klar vertikal geprägtes Umfeld – ein Raum, in dem Hierarchie, Machtansprüche und Revierverhalten dominieren. Ob man das gut oder schlecht findet, spielt keine Rolle – es ist eine Realität, die man nicht ignorieren sollte.


Wer als horizontale Kommunikatorin in diesem Kontext unbewusst an unpassenden Stellen lacht, setzt sich einem Risiko aus. Ein vertikal geprägter Beobachter wird ein solches Lachen nicht als souveräne Geste der Entspannung, sondern als Zeichen der Unsicherheit werten – als Hinweis darauf, der Spannung der direkten Konfrontation nicht gewachsen zu sein. In einem Umfeld, in dem Durchsetzungskraft und Kontrolle entscheidend sind, kann das fatale Auswirkungen auf die eigene Wahrnehmung und Wirkung haben.


Ich fasse also zusammen:


Ob Frau oder Mann – Lachen ist ansteckend, gesund und weit mehr als nur eine Reaktion auf Humor. Es dient vor allem als soziales Signal, das Zugehörigkeit vermittelt, Beziehungen stärkt und wertschätzende Kommunikation fördert.


Doch Lachen hat auch eine andere Seite. In Stresssituationen kann es sich in einen Mechanismus der Überkompensation verwandeln – einen unbewussten Versuch, Spannung zu entschärfen. Gerade dieser Reflex kann jedoch das Gegenteil bewirken: Er wird nicht als Souveränität, sondern als Unsicherheit wahrgenommen. Besonders in hierarchisch geprägten Umfeldern kann Lachen dadurch ungewollt angreifbar machen – unabhängig vom Geschlecht.


Wer sich dieser doppelten Wirkung bewusst ist, kann Lachen gezielt einsetzen: als Brücke zur Verbindung – aber auch als strategisches Mittel, um in angespannten Momenten die eigene Haltung bewusst zu steuern.


 

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