Als Ludwig van Beethoven 1805 seine dritte Symphonie, die «Eroica», zum ersten Mal aufführte, stiess er auf vernichtende Kritik. Ein Rezensent nannte das Werk «zu lang, zu schwierig, zu dissonant» und behauptete, es sei «eine Verirrung des jungen Künstlers». Selbst Beethovens Freunde waren verwirrt und enttäuscht. Heute gilt die «Eroica» als Meilenstein der klassischen Musik und markiert den Beginn der romantischen Ära.
Nur hundert Jahre später, als Marie Curie 1903 für ihre bahnbrechenden Forschungen zur Radioaktivität für den Nobelpreis in Physik nominiert wurde, sah sie sich mit heftiger Kritik konfrontiert. Die französische Akademie der Wissenschaften, dominiert von männlichen Kollegen, versuchte ihre Nominierung zu blockieren. Einige argumentierten sogar, dass ihre Arbeit lediglich die ihres verstorbenen Mannes Pierre fortführe. Trotz dieser Anfeindungen mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft liess sich Curie nicht entmutigen. Sie setzte ihre Forschungen unbeirrt fort und gewann nicht nur diesen Nobelpreis, sondern 1911 einen zweiten in Chemie – als erste Person überhaupt.
Ein weiteres Jahrhundert später, als Satya Nadella 2014 zum CEO von Microsoft ernannt wurde, sah er sich umgehend mit schärfster Kritik konfrontiert. Viele Analysten und Tech-Experten zweifelten an seiner Fähigkeit, den damals schwächelnden Technologieriesen zu führen. Sie nannten ihn einen «Insider ohne Vision» und prophezeiten, dass er Microsofts Niedergang nicht aufhalten könne. Einige forderten sogar öffentlich seine schnelle Ablösung. Doch Nadella liess sich von diesen Stimmen nicht beirren. Unter seiner Führung hat sich Microsoft neu erfunden. Der Aktienkurs vervielfachte sich, und das Unternehmen wurde wieder zu einem der wertvollsten der Welt.
Seit Jahrhunderten wiederholen sich Geschichten wie diese ständig und zeigen eindrucksvoll, wie wichtig Resilienz gegenüber Kritik und Vorurteilen für den persönlichen und beruflichen Erfolg sein kann. Es ist wie Mahatma Gandhi einmal sagte:
«Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.»
Umgang mit Kritik – Eine Kunst, die nicht jedem in die Wiege gelegt wurde.
Nun müssen wir nicht Beethoven, Curie oder Nadella heissen, um zu wissen, wie es ist, wenn wir auf Kritik stossen. Wir alle kennen das Gefühl der Ablehnung – im Kleinen wie im Grossen. Kritik trifft uns oft wie ein Schlag in die Magengrube. Sie lässt uns zweifeln, macht uns wütend oder lähmt uns komplett:
Du präsentierst eine Idee im Meeting und erntest nur Stirnrunzeln und skeptische Blicke.
Dein hart erarbeitetes Projekt wird von deinem Chef in der Luft zerrissen.
Ein Kommentar zu deinem Social-Media-Post raubt dir den Schlaf.
Die wohlgemeinte Kritik eines Freundes fühlt sich an wie ein persönlicher Angriff
In solchen Momenten wünschen wir uns oft, wir hätten ein dickeres Fell.
Doch wie entwickelt man ein solch dickes Fell? Wie schaffen wir es, nicht bei jeder Kritik zusammenzuzucken, ohne dabei abzustumpfen? Wie können wir lernen, Feedback als Chance statt als Bedrohung zu sehen?
4 Prinzipien für mehr Resilienz gegen Kritik.
Die Fähigkeit, mit Kritik und Ablehnung umzugehen, ist erlernbar und kann dein Leben grundlegend verändern.
Aber wir wollen dabei nicht naiv sein und realistisch bleiben: das geschieht nicht über Nacht. Es braucht schon etwas mehr als ein blosses Fingerschnippsen. Denn Resilienz gegenüber Kritik bedeutet nicht, völlige Gleichgültigkeit zu entwickeln. Stattdessen sollten wir uns darum bemühen, eine gesunde Perspektive auf unterschiedliche Kritiken einzunehmen. Das hilft uns eher, den Prozess der Verarbeitung zu beschleunigen und trotz Ablehnung einen erholsamen Schlaf zu finden.
Um dich dabei unterstützen, mehr Resilienz gegen Kritik zu entwickeln, möchte ich dir dazu 4 nützliche Prinzipien für dein Mindset anbieten. Diese vier Gedanken können dir helfen, mehr innere Gelassenheit zu finden, wenn du dich wieder mal mit Kritik konfrontiert siehst.
Legen wir den wichtigsten Grundstein gleich mit dem ersten Prinzip.
1. Wähle, wofür du kritisiert werden möchtest.
Es ist ein grosser Trugschluss, zu glauben, dass es einen Ort auf dieser Welt gibt, an dem du von Menschen nicht für irgend etwas kritisiert wirst – offline genauso wie online.
Die ehemalige First Lady und Diplomatin, Eleanor Roosevelt, sagte einmal:
«Tue, was du in deinem Herzen für richtig hältst – sie werden dich ohnehin kritisieren. Du wirst verdammt sein, wenn du es tust und verdammt, wenn du es nicht tust.»
Kritik ist allgegenwärtig. Es wird immer Menschen geben, die dich für alles, was du tust, verurteilen – aber auch für alles, was du nicht tust. Nichts tun und nichts sagen, ist somit keine Option.
Haben wir diese Realität erst einmal akzeptiert, eröffnet sich uns eine neue Perspektive: Kritik ist nicht mehr etwas, das wir vermeiden müssen, sondern ein natürlicher Teil unseres Lebens und unserer Entwicklung. Es ist wie das Wetter – mal Sonnenschein, mal Regen, aber immer präsent und unvermeidbar. Das anzunehmen kann sehr befreiend wirken.
Wenn Kritik ohnehin kommt, warum sollten wir uns dann von ihr lähmen lassen? Stattdessen können wir ihre Gegenwart als Verstärker und Werkzeug benutzen, als Kompass, der uns zeigt, wo wir stehen und wohin wir gehen könnten.
Und wenn ich ja schon weiss, dass ich kritisiert werde, dann doch viel lieber bei etwas, was ich mir selber ausgesucht habe. Bei etwas, wofür es sich lohnt, diese Kritik hinzunehmen. Mit anderen Worten: Wähle bewusst, wofür du kritisiert werden möchtest.
Diese Wahl ist ein Schritt von entscheidender Tragweite, weil sie dich zu deiner eigenen persönlichen Ermächtigung führt. Mit dieser bewussten Wahl übernimmst du die Kontrolle und lässt dich nicht länger von der Angst vor Kritik lähmen. Du gehst damit von einer defensiven Einstellung in eine offensive Haltung. Anstatt dich zu fragen «Wie kann ich Kritik vermeiden?», fragst du dich «Für welche Sache bin ich bereit, Kritik einzustecken?». Dieser Perspektivwechsel kann revolutionär und ein Gamechanger sein.
Wenn du weisst, wofür du bereit bist, kritisiert zu werden, wird es leichter, irrelevante oder destruktive Kritik auszublenden. Du entwickelst ein klareres Bild davon, welche Meinungen für dich wirklich zählen und welche du getrost ignorieren kannst.
Ab diesem Punkt wirst du Kritik nicht mehr als etwas sehen, das dir widerfährt, sondern als etwas, das du aktiv in dein Leben integrierst. Du wählst deine Schlachten, du bestimmst, welche Ziele es wert sind, dafür Gegenwind in Kauf zu nehmen.
Und ganz nebenbei:
Diese Haltung kann auch deine Ausstrahlung und dein Auftreten verändern. Menschen, die bewusst zu ihren Entscheidungen stehen, auch wenn sie dafür kritisiert werden, strahlen oft eine besondere Art von Selbstsicherheit und Integrität aus. Sie ziehen andere an, die ihre Werte und ihre Courage bewundern.
2. Wenn dich alle lieben, dann liebt dich keiner.
Das Leben ohne Tod ist sinnlos. Die Nacht ohne Tag hat keine Bedeutung. Der Vordergrund ohne Hintergrund kann nicht existieren. Genauso verhält es sich mit Zuneigung und Kritik, mit Lob und Tadel.
Stell dir einfach mal vor, du lebst in einer Welt, in der jeder alles gut findet, was du denkst, sagst oder tust. Was im ersten Moment vielleicht verlockend klingen mag, wird bei genauerem Hinsehen deutlich: In einer solchen Welt wäre echte Wertschätzung unmöglich. Denn wahre Anerkennung gewinnt erst durch die Möglichkeit der Ablehnung an Bedeutung.
Wenn jeder Mensch, dem du begegnest, dich automatisch mag, wie kannst du dann echte Verbindungen von oberflächlichen unterscheiden? Wie willst du wissen, wer wirklich zu dir steht, wenn es darauf ankommt? Die Wahrheit ist: Universelle Zustimmung ist oft nichts anderes als Gleichgültigkeit im Gewand der Höflichkeit.
Kritik, so unangenehm sie auch sein mag, erfüllt eine wichtige Funktion. Sie:
Definiert deine Position: Erst durch Widerspruch werden deine Standpunkte wirklich sichtbar.
Schärft dein Profil: Sie zeigt, wofür du stehst und wogegen du dich abgrenzt.
Bietet Wachstumschancen: Konstruktive Kritik kann dir helfen, blinde Flecken zu erkennen und dich weiterzuentwickeln.
Testet deine Überzeugungen: Sie zwingt dich, deine Ideen zu hinterfragen und zu verfeinern.
Filtert dein Umfeld: Menschen, die trotz Meinungsverschiedenheiten zu dir stehen, sind wahre Freunde.
Wenn es uns gelingt, Kritik nicht als Bedrohung, sondern als notwendigen Kontrast zu sehen, können wir sie bewusst als wichtigen Bestandteil unserer Entwicklung in unser Leben integrieren. Kritik formt nicht nur unseren Charakter, sondern auch unser Umfeld und die Menschen, mit denen wir uns umgeben. Sie ist der Schatten, der unserem Licht Tiefe verleiht, die Herausforderung, die unsere Stärken erst richtig zur Geltung bringt.
Anstatt also nach universeller Zustimmung zu streben und von möglichst vielen geliebt werden zu wollen, sollten wir uns fragen: Welche Art von Menschen sollen mein Umfeld definieren? Welche Menschen möchte ich anziehen, die meine Werte teilen und mich in meinem Wachstum unterstützen? Mit wem möchte ich mich umgeben, der mich sowohl bestärkt als auch konstruktiv herausfordert?
Denk daran: Für jeden Menschen, der zu dir «Nein» sagt, gibt es andere, die zu dir «Ja» sagen werden. Es ist eine Frage der Perspektive und der Geduld. Paradoxerweise sind es oft gerade die Menschen, die polarisieren, die am Ende die treuesten Anhänger und tiefsten Verbindungen haben. Sie ziehen jene an, die ihre Überzeugungen wirklich teilen und bereit sind, auch in schwierigen Zeiten zu ihnen zu stehen.
3. Schaffe Distanz zwischen deiner Identität und der Kritik.
Kritik trifft uns oft ins Mark, weil wir sie instinktiv als Angriff auf unsere Identität wahrnehmen. Wir neigen dazu, negative Rückmeldungen zu personalisieren, als ob sie unser gesamtes Sein in Frage stellen würden. Diese reflexartige Reaktion folgt oft einem Muster:
«Du kritisierst meine Idee? Dann hältst du mich wohl für dumm.»
«Du bemängelst meine Arbeit? Dann zweifelst du an meinen Fähigkeiten und meinem Wert als Mitarbeiter.»
«Du bist nicht einverstanden mit meiner Meinung? Dann lehnst du mich als Person ab.»
Diese Gedankenketten sind zwar verständlich, aber oft irreführend. Sie verwischen die Grenze zwischen unseren Handlungen oder Äusserungen und unserem Selbstwert. Doch um Kritik konstruktiv zu nutzen und unsere Resilienz zu stärken, müssen wir lernen, einen Schritt zurückzutreten und die Kritik aus einer gewissen Distanz zu betrachten.
Tatsächlich sind wir weitaus mehr als unsere Arbeit, mehr als unsere Ideen oder unsere Meinungen. Auch wenn diese Aspekte wichtige Teile von uns sind, definieren sie nicht unseren gesamten Wert als Person. Das zu erkennen, kann uns helfen, Kritik an unserer Arbeit oder unseren Ideen nicht als Angriff auf unser ganzes Sein zu interpretieren.
Um die nötige Distanz zu gewinnen, ist es ebenso hilfreich, sich bewusst zu machen, dass Kritik oft mehr über den Kritiker als über uns selbst aussagt. Sie spiegelt deren Erwartungen, Erfahrungen und manchmal auch deren eigene Unsicherheiten wider. Wenn wir uns diese Tatsache zu Herzen nehmen, beginnen wir Kritik weniger persönlich zu nehmen und stattdessen als Information zu betrachten – Information, die wir nach eigenem Ermessen annehmen oder ablehnen können.
Denn vergessen wir nicht: So manche Menschen kritisieren unaufgefordert aus Neid, Frustration oder einfach aus Gewohnheit. Was mich zum vierten Prinzip führt.
4. Wähle deine Kritiker weise.
Als ich noch zur Schule ging, habe ich irgendwo eine alte chinesische Weisheit aufgeschnappt, die besagt:
«Bevor du trinkst, bedenke die Quelle.»
Dieses Zitat hatte damals grossen Eindruck auf mich gemacht, ohne wirklich zu verstehen, wieso. Im Verlaufe meines weiteren Lebens habe ich jedoch gelernt, dass sich diese Weisheit auf sehr vielfältige Weise in unserem Leben anwenden lässt, insbesondere auch im Umgang mit Kritik.
Indem wir uns fragen «Wer kritisiert und warum?», eröffnen wir uns die Möglichkeit, Kritik differenzierter zu betrachten. Die Quelle zu bedenken, hilft uns in diesem Fall:
Die Intention hinter der Kritik zu verstehen.
Die Kompetenz und Erfahrung des Kritikers einzuschätzen.
Mögliche versteckte Agenden oder persönliche Vorurteile zu erkennen.
Den Kontext der Kritik zu berücksichtigen.
Denn betrachten wir es doch einmal aus dieser Perspektive: Es ist geradezu absurd, wie oft wir uns von Kritik aus den Bahnen werfen lassen – und zwar von Menschen, deren Meinung wir unter normalen Umständen nicht einmal einholen würden. Wir liegen nachts wach, grübeln über Worte nach, die von jemandem stammen, den wir nie als unseren Ratgeber tolerieren würden. Das ist doch irgendwie paradox, findest du nicht?
Könntest du dir vorstellen, aktiv auf diese Person zuzugehen und zu fragen: «Kannst du mir einen Rat geben, wie ich mein Leben führen soll?» Wahrscheinlich würdest du das nie tun. Warum also erlaubst du es dann ihrer ungebetenen Kritik, so viel Macht über dein Wohlbefinden zu geben?
Dieses Missverhältnis zeigt, wie tief verwurzelt unsere emotionalen Reaktionen auf Kritik sind. Oft reagieren wir instinktiv, ohne die Quelle der Kritik zu hinterfragen. Wir geben Menschen Macht über unsere Gefühle, denen wir diese Macht bewusst nie zugestehen würden.
Nicht jede Meinung verdient unsere schlaflose Aufmerksamkeit.
Damit will ich aber keinesfalls sagen, dass wir uns völlig abschotten sollten. Es geht mir viel mehr darum, selektiver und bewusster mit Kritik umzugehen. Wenn wir lernen, die Quelle der Kritik zu bewerten, bevor wir auf den Inhalt reagieren, können wir unsere emotionale Energie besser schützen und gezielter einsetzen.
Es ist völlig in Ordnung – ja sogar notwendig – eine gewisse «Qualitätskontrolle» für die Kritik zu haben, die wir ernst nehmen. Dein innerer Frieden und deine persönliche Entwicklung werden es dir danken.
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