Ja, ich weiss: Die einen sagen, Small Talk wird überbewertet. Andere hingegen behaupten, Small Talk ist in Wahrheit Big Talk.
Ich zähle mich zur letzteren Gruppe.
Das «Small» in Small Talk wird oft unterschätzt. Es bezieht sich nicht auf die Bedeutungslosigkeit der Konversation, sondern vielmehr auf die feinen und kleinen Zwischentöne. Es beschreibt die Kunst, durch leichte und unverfängliche Themen eine Brücke zu anderen Menschen zu bauen. Small Talk ist wie das sanfte Anklopfen an einer Tür – ein behutsamer erster Schritt zur Kommunikation, der den Weg für tiefere Gespräche ebnen kann.
Und weil er oft der Startpunkt für bedeutsame Verbindungen ist, kann aus dem «Small» schnell mal ein «Big» Talk werden. Viele lebenslange Freundschaften, erfolgreiche Geschäftspartnerschaften und sogar romantische Beziehungen beginnen mit einem scheinbar belanglosen Austausch über das Wetter, die Lieblingsfarbe oder das neuste Hundefutter.
Trotzdem bedeutet Small Talk für viele von uns Stress. Wir fürchten peinliche Gesprächspausen, sorgen uns darum, uninteressant zu wirken oder haben Angst, etwas Falsches zu sagen. Diese Unsicherheit kann lähmend wirken und uns daran hindern, auf andere Menschen zuzugehen.
Hier sind vier Fehler, die jeder von uns beim Small Talk vermeiden kann. Diese scheinbar harmlosen Stolpersteine können den Gesprächsfluss ins Stocken bringen und potenzielle Verbindungen im Keim ersticken. Oft begehen wir sie unbewusst, getrieben von Nervosität oder dem Wunsch, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Aber mit ein wenig Aufmerksamkeit und Übung lassen sich diese Fallstricke leicht umgehen und verwandeln sich in Chancen für bereichernde Gespräche.
1) Vermeide es, beim Small Talk geschlossene Fragen zu stellen.
Geschlossene Fragen, die man nur mit «ja», «nein» oder «vielleicht» beantworten kann, können beim Kennenlernen problematisch werden. Zugegeben, James Bond macht das andauernd. Eine typisch geschlossene Frage wie: «Spielen Sie gerne ... Spiele?» sind bei 007 an der Tagesordnung.
Für alle anderen von uns, die nicht James Bond heissen, gilt: Wenn du in einer frühen Phase des Kennenlernens – privat oder geschäftlich – geschlossene Fragen stellst, kannst du damit dein Gegenüber schnell in Verlegenheit bringen.
Nehmen wir mal an, du fragst eine fremde Person bei einem geschäftlichen Anlass: «Hat Ihnen die Präsentation gefallen?»
Auf den ersten Blick scheint das eine harmlose Frage zu sein. Ist sie aber nicht. Ohne klaren Kontext zur Beziehung zwischen dir und der Person, die präsentiert hat, ist es schwierig, die Intention hinter deiner Frage einzuschätzen. Bist du der Chef, ein Kollege, ein Bekannter oder vielleicht weder noch? Was passiert, wenn ich sage, dass mir die Präsentation nicht gefallen hat und du bist tatsächlich der Chef von diesem Typ, der da vorne präsentiert hat? Ohne zu wissen, warum du die Frage stellst, fällt es schwer, angemessen zu reagieren. Dein Gegenüber kann sich möglicherweise schnell unter Druck gesetzt fühlen, mehr zu sagen oder gar nichts zu sagen, ohne genau zu wissen, was du hören willst. Eine geschlossene Frage wie diese, kann schnell herausfordernd wirken und vermittelt womöglich den Eindruck, dass du die Kontrolle übernehmen und das Gespräch in eine bestimmte Richtung lenken willst.
Offene Fragen hingegen sind für Small Talk viel besser geeignet. Diese können nicht einfach mit einem schnellen «ja» oder «nein» beantwortet werden. Sie laden zu ausführlicheren Antworten ein und fördern ein echtes Gespräch. Sie geben deinem Gesprächspartner die Freiheit, seine Gedanken auszudrücken und führen zu einem lebendigeren Austausch.
Und obschon es viele Möglichkeiten gibt, offene Fragen zu stellen, so reicht es in der Regel, wenn du dich auf das «Wie» und das «Was» fokussierst, damit lässt sich nämlich praktisch alles erfragen.
Also zum Beispiel:
Statt zu fragen: «Sind Sie alleine hier?» könntest du fragen: «Was führt Sie zu dieser Veranstaltung?»
Dadurch gewinnst du einen tieferen Einblick in den Hintergrund und die Motivation deines Gesprächspartners, während du gleichzeitig eine entspannte Atmosphäre schaffst. Die Frage ermöglicht es deinem Gegenüber, seine oder ihre Beweggründe für den Besuch stressfrei zu teilen und eröffnet Wege, das Gespräch auf interessante Themen zu lenken. Damit wirkst du nicht gleich wie ein Psycho, der sich aufdringlich oder unangemessen neugierig zeigt. Zudem bietet diese offene Frage Flexibilität: Die Antwort kann je nach Wunsch des Gesprächspartners kurz oder ausführlich ausfallen.
Aber Achtung. Nicht jede offene Frage ist automatisch auch eine gute Frage.
2) Vermeide Fragen, die Vorwissen voraussetzen.
Stell dir vor, du bist immer noch an diesem geschäftlichen Anlass und nippst entspannt an deinem Glas. Jemand, der sich dir gerade erst vorgestellt hat, konfrontiert dich nun mit folgender Frage: «Wie beurteilen Sie die Korrelation zwischen den Leitzinsänderungen der EZB und den Schwankungen des Baltic Dry Index im Kontext der aktuellen geopolitischen Spannungen?»
WTF?!?
Bei einer solchen Frage schnappst du dir blitzschnell noch ein weiteres Glas vom Tablett des vorbeihuschenden Kellners, kippst es hastig hinter die Binde und lässt deine Augen panisch durch den Raum gleiten, auf der verzweifelten Suche nach einem bekannten Gesicht.
Ich gebe zu, diese Frage erscheint vielleicht etwas übertrieben. Aber ich denke, du hast die Stossrichtung erfasst.
Wenn du nicht willst, dass jemand in Verlegenheit kommt, dann solltest nur Fragen stellen, die weder «richtig» noch «falsch» beantwortet werden können. Also zum Beispiel: «Was halten Sie von den aktuellen Trends in unserer Branche?». Diese Frage ist weit genug gefasst, um deinem Gegenüber Raum für verschiedene Ansichten und Erfahrungen zu geben, ohne dass spezifisches Fachwissen vorausgesetzt wird.
Beim Small Talk sollen alle Beteiligten leicht mitreden können, ohne das Gefühl zu haben, auf die Probe gestellt zu werden. Wenn du Fragen stellst, bei denen es kein «richtig» oder «falsch» gibt, schaffst du eine entspannte Zone, in der dein Gegenüber frei antworten kann, ohne Angst haben zu müssen, sich zu blamieren.
Damit zeigst du Respekt und Wertschätzung für dein Gegenüber. Es wird deutlich, dass dir daran gelegen ist, ein echte Verbindung herzustellen und nicht, jemanden in eine schwierige Lage zu bringen oder dich selbst ins Rampenlicht zu stellen.
3) Vermeide es, das Gespräch auf dich selbst zu lenken.
Schon klar. Du bist nicht nur Olympiasieger im 100m Freistil, sondern schwimmst nebenbei mit Haien um die Wette. Zeitbomben entschärfst du mit verbundenen Augen, und bei deinem letzten Dschungeltrip in Südamerika hast du eine Anakonda mit der Zahnseide erdrosselt. Dein Anekdotenschatz ist so gewaltig, dass selbst deine Urenkel noch Jahrzehnte später die Augen verdrehen werden. Kein Wunder also, dass dein Freundeskreis so umfangreich ist wie deine Bescheidenheit.
Ein häufiger Fehler, den viele machen, ist, dass sie das Gespräch unbewusst auf sich selbst fokussieren. Das geschieht oft in Form von «Ich-bezogenen» Fragen oder Aussagen. Beispielsweise: «Ich habe kürzlich an einem spannenden Projekt gearbeitet. Woran arbeiten Sie gerade?» Auch wenn das auf den ersten Blick eine freundliche Frage zu sein scheint, schiebt sie dein eigenes Erlebnis in den Vordergrund und lässt das Gespräch um dich kreisen. Das schreit förmlich danach, dass du unbedingt selbst von deinem Projekt erzählten willst. Das geschieht nicht selten bei Menschen, die ein unstillbares Bedürfnis haben, ihre Expertise oder ihr Wissen zur Schau zu stellen. Und gerade ein solches Verhalten wirkt schnell als belehrend oder sogar herablassend.
Lass das sein. Fokussiere deine Energie lieber darauf, Fragen zu stellen, die dein Gegenüber in den Mittelpunkt rücken.
Es gibt eine berühmte Anekdote über eine englische Lady, die das Vergnügen hatte, mit den beiden politischen Schwergewichten William Gladstone und Benjamin Disraeli zu dinieren. In der gehobenen Gesellschaft der viktorianischen Zeit war es üblich, bei formellen Abendessen die Gesprächspartner während der einzelnen Gänge zu wechseln. Während eines Gangs unterhielt man sich mit dem Tischnachbarn zur linken Seite, beim nächsten Gang mit der Person zur rechten Seite. Als die Lady später gefragt wurde, wie es war, mit diesen beiden Politikern zu speisen, antwortete sie: «Nach dem Gespräch mit Mr. Gladstone war ich überzeugt, dass er der klügste Mensch in England ist. Doch nachdem ich mich mit Mr. Disraeli unterhalten hatte, fühlte ich mich als die klügste Frau Englands.»
Menschen fühlen sich wertgeschätzt und respektiert, wenn sie merken, dass jemand wirklich an ihnen interessiert ist. Du willst echtes Interesse an der anderen Person zeigen, um ihre Perspektiven, Erfahrungen und Meinungen in den Fokus zu stellen und sie zum Reden zu ermutigen. Stelle Fragen, die vollständig auf dein Gegenüber ausgerichtet sind und ihm oder ihr die Bühne geben.
Damit gibst du der Person die Gelegenheit, sich auszudrücken und etwas Persönliches zu teilen. Das schafft eine Verbindung und lässt dein Gesprächspartner sich gehört und wertgeschätzt fühlen. Gleichzeitig erfährst du mehr über den Mensch, was dir nicht nur hilft, das Gespräch weiterzuführen, sondern auch eine tiefere berufliche Beziehung aufzubauen. Die neue Bekanntschaft wird sich daran erinnern, dass du zugehört und echtes Interesse gezeigt hast, was die Grundlage für langfristige, positive berufliche Beziehungen bildet.
4) Vermeide Fragen, die potenziell negative Emotionen auslösen.
Negative Emotionen können ein Gespräch schnell in eine unangenehme Richtung lenken und die Stimmung drücken. Wenn du Fragen stellst, die unangenehme oder schwierige Themen ansprechen, wie z.B. Konflikte, Stresssituationen oder Misserfolge, kann das dazu führen, dass sich dein Gegenüber unwohl fühlt. Das Gespräch wird möglicherweise kurz und angespannt, anstatt fliessend und locker.
Halte das Gespräch positiv und leicht. Small Talk soll eine entspannte, angenehme Atmosphäre schaffen, in der sich alle Beteiligten wohlfühlen.
Vermeide es, schwierige oder problematische Themen anzusprechen. Eine Frage wie «War das Projekt nicht ziemlich stressig?» mag vielleicht gut gemeint sein, könnte aber dennoch negative Emotionen hervorrufen, die das Gespräch belasten.
Wähle lieber Fragen, die den Fokus auf positive Aspekte legen und Raum für angenehme Antworten bieten. Anstatt auf den Stress oder die Schwierigkeiten einzugehen, könntest du fragen: «Was war für Sie das Highlight des Projekts?» oder «Worauf sind Sie besonders stolz?» Diese Fragen lenken die Aufmerksamkeit auf positive Erfahrungen und Erfolge, was das Gespräch in eine optimistische und erfreuliche Richtung lenkt.
Denk daran: Small Talk ist belanglos und wegweisend zugleich. Die Worte mögen zwar verfliegen, der Eindruck jedoch bleibt. Menschen vergessen, was du gesagt hast. Aber sie werden niemals vergessen, wie sie sich in deiner Gegenwart gefühlt haben. So wie bei der englischen Lady: «... nach dem Abendessen mit Mr. Disraeli, nun, da fühlte ich mich als die klügste Frau in England.»
Daher solltest du versuchen, dich an diese vier Punkte zu halten:
Stelle offene Fragen.
Stelle Fragen, die kein Vorwissen voraussetzen.
Stelle dein Gegenüber in den Mittelpunkt.
Halte es positiv und leicht.
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